Wer selbst miterlebt hat, wie jemand im eigenen Umfeld an Demenz erkrankt, der weiß, wie erschütternd der Krankheitsverlauf für die Betroffenen und die Angehörigen ist. Ein Heilmittel gibt es nach wie vor nicht, aber die Forschung zeigt, dass ein gesundes, aktives Leben Risikofaktoren verringern kann. Sebastian Kneipps ganzheitliche Lehre wird damit aktueller denn je.
Rund 1,7 Millionen Menschen sind in Deutschland von Demenz betroffen, und jährlich kommen 300.000 neu Erkrankte hinzu. Am häufigsten handelt es sich dabei um Alzheimer. Die Krankheit kommt schleichend, beginnt unauffällig mit kleinen Vergesslichkeiten. Aber plötzlich wird Alltägliches zur unlösbaren Aufgabe, Vertrautes wird fremd. Als ich etwa acht Jahre alt war, fragte mich meine Oma plötzlich: „Wer bist du denn?“ Ihre Erinnerung kam nie wieder zurück.
Demenz umfasst das ganze Sein eines Menschen: Das Denk- und Erinnerungsvermögen wird beeinträchtigt, Sprach- und Orientierungsprobleme treten auf, das Zeitgefühl geht verloren, aber auch das Verhalten und die Persönlichkeit verändern sich. Letztlich nimmt die Demenzerkrankung einem die Möglichkeit, selbstbestimmt das Leben zu gestalten.
Vererbung spielt dabei eine Rolle, aber nicht nur. Es gibt andere gewichtige Risikofaktoren, denen man entgegenwirken kann. Erstaunlich ist: Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse decken sich mit dem Gesundheits- und Lebenskonzept, das Kneipp schon vor rund 150 Jahren entwickelte. Sein ganzheitlicher Ansatz zielt auf einen gesunden, aktiven und ausgeglichenen Lebensstil ab. Und auch bei der Demenzprävention gilt es vor allem, Herz und Gefäße zu schützen und gesund zu halten, denn Bluthochdruck, Übergewicht oder Rauchen gehören zu den Faktoren, die das Risiko einer Erkrankung erhöhen. Aber auch Diabetes, Stress oder Depressionen können einen negativen Einfluss haben.
Experten raten deshalb:
Sich bewegen!
Sportliche Aktivitäten wirken sich doppelt positiv aus – auf Körper und Geist. Wer sich regelmäßig bewegt, fördert die Blut- und Sauerstoffversorgung im Gehirn und damit auch die geistige Fitness. Gefäßverkalkungen und zu hohen Cholesterinwerten wird entgegengewirkt. Und: Freigesetzte Glückshormone (Endorphine und Serotonin) sorgen nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern neutralisieren Stresshormone und können helfen, depressiven Verstimmungen vorzubeugen. Empfohlen werden wöchentlich drei Trainingseinheiten à 30 Minuten – und möglichst viel alltägliche Bewegung, sei es mit Treppensteigen, Spaziergängen oder Gartenarbeit.
Auf eine gesunde Ernährung achten!
„Mehr Pflanzliches, weniger Tierisches“ lautet einer von Kneipps Grundsätzen. Auch Demenzforscher raten, möglichst viel frisches Gemüse und Obst, Kartoffeln, Reis und Vollkorn zu essen. Gesundes Fett findet sich in Fisch (z. B. Makrele oder Rotbarsch) und Olivenöl. Schweinefleisch, Wurstwaren und fettreiche Milchprodukte sollten hingegen nur in Maßen gegessen werden. Dafür sind die Vitamine A (Karotten, Spinat, Aprikosen), C (Hagebutten, Sanddorn, Zitrusfrüchte) und E (Grünkohl, Sellerie, Nüsse) bedeutsam, weil sie freie Radikale binden. Und – auch das war schon Kneipp besonders wichtig – man sollte in Ruhe und in angenehmer Atmosphäre essen.
Geistig aktiv bleiben!
Unser Gehirn liebt neue Aufgaben und Herausforderungen. Studien zeigen, dass geistige Aktivitäten quasi eine Reserve bilden, die dabei hilft, Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen auszugleichen bzw. hinauszuzögern. Als besonders empfehlenswert gelten Musizieren und Tanzen, weil dabei nicht nur Koordination und Konzentration gefragt sind, sondern zusätzlich die Gefühlsebene angeregt wird. Aber auch andere Hobbys sind geeignet: Ob lesen, rätseln, eine Fremdsprache lernen, Modellboote bauen oder Karten spielen – Hauptsache, es macht Spaß.
Unter Menschen gehen!
Einsamkeit und damit verbundene depressive Verstimmungen können das Risiko, an Demenz zu erkranken, erhöhen. Im Austausch mit anderen kommen indes nicht nur soziale und emotionale Aspekte zum Tragen. Auch Sprachvermögen, Wahrnehmung und Kurzzeitgedächtnis werden trainiert. Möglichkeiten bieten sich viele, sei es bei Volkshochschulkursen, Gruppenreisen, ehrenamtlichen Engagements oder Sportaktivitäten.
Vorbeugende Maßnahmen sind nicht zuletzt deshalb wichtig, weil Demenzerkrankungen – wenn sie einmal ausgebrochen sind – höchstens in ihrem Verlauf verlangsamt werden können. Und selbst hier wurde Kneipp in den letzten Jahren (wieder-)entdeckt. Behandlungskonzepte, die auf den fünf Elementen von Kneipp beruhen und neben den oben genannten Bereichen auch Wasseranwendungen und Kräutermischungen umfassen, zeigten nachweislich Erfolge. Die davon profitierenden Seniorinnen und Senioren fühlten sich gesünder, stärker und vitaler. Und: Sie benötigten weniger Schmerz- und Beruhigungsmittel.
Eva Tesar hat in Göttingen Philologie studiert. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als selbständige Journalistin und PR-Expertin für Tourismus, Hotellerie, Gesundheit, Gourmet und Lifestyle. Eva Tesar lebt in Hamburg-Rotherbaum und arbeitet auch als Kommunikationscoach.