Noch vor einem Jahr war alles wie immer in dieser Zeit: Weihnachtsfeiern im Betrieb, in der Schule, im Verein. Geschenkestress. Und den Skiurlaub vor Augen. Und heute? Hätte uns vor einem Jahr jemand gesagt, wie die Vorweihnachtszeit 2020 aussieht, wir hätten nur den Kopf geschüttelt.
Von befreundeten Personaler*innen höre ich derzeit, wie sie fieberhaft nach Ideen suchen, die Firmenweihnachtsfeier wenigstens online durchzuführen – sei es mit einem gemeinsamen Plätzchenback-Event, einer Quiz-Show oder Wichtel-Päckchen-Auspacken und Anstoßen vor dem Bildschirm. Vereins- und Schulfeiern sind ohnehin abgesagt. Wer in die Berge wollte zum Skifahren ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sich nach Monaten voller Einschränkungen wenigstens eine Woche Spaß zu gönnen, und der Frage, ob das vertretbar ist (und ob der Spaßfaktor angesichts der gegebenen Umstände tatsächlich so groß sein würde).
Bleibt das Weihnachtsshopping, denn schließlich scheint die Message der offen gehaltenen Geschäfte klar: Wir dürfen nicht nur, wir sollen sogar Geschenke (oder was auch immer) einkaufen. Selbst wenn beschränkter Einlass, Abstandsregelung und Maskenpflicht die vorweihnachtliche Kauflust trüben mögen und das bis anhin kauftreibende, glühweinbeschwipste Schlendern über den Weihnachtsmarkt in diesem Jahr größtenteils ausbleibt.
Keine Frage, nachdem wir uns in den Sommerwochen selbst eine Rückkehr zur Normalität vorgegaukelt haben, hat das Coronavirus nun unsere Vorweihnachtszeit umso fester im Griff – und scheint für einmal die Rolle von Onkel Ulrich zu übernehmen, der beim Weihnachtsessen regelmäßig darum bemüht ist, die Stimmung zu vermiesen.
Eine Bekannte meinte vor Kurzem zu mir: „2020 hake ich ab. Das ist wirklich ein Jahr zum Vergessen.“ Dabei musste ich unweigerlich an einen Aphorismus denken, der offenbar nicht explizit jemandem zugeordnet werden kann. Schade eigentlich, denn man hätte der Person gerne posthum für die Weisheit gedankt, die ein einfacher Perspektivenwechsel bringen kann: „Wenn der Tag nicht dein Freund war, so war er doch dein Lehrer.“ Gilt das nicht auch für dieses ganze Corona-Jahr? Wenn wir uns einmal besinnen und uns fragen: Was haben uns die letzten Monate gelehrt? Was geben sie uns mit auf den Weg?
Der Zukunftsforscher Matthias Horx schreibt in seinem Blog, dass es zwei Arten gebe, mit einer Krise umzugehen. Entweder man verbittere und verhärte in Hass, Wut und Abwehr. Oder: „Wenn wir uns Krisen stellen, öffnet sich ein Möglichkeitsraum. Wir erleiden Verluste, von denen wir glauben, sie unmöglich verkraften zu können. Es kann aber auch passieren, dass das, was wir entbehren, uns plötzlich gar nicht wirklich fehlt. Dass wir verblüfft sind, weil wir das, wovon wir uns furchtbar abhängig fühlten, gar nicht wirklich brauchten. Wir erfahren, dass wir auch anders können. So entsteht ein Moment echter Freiheit – in uns selbst. Von Neuwerden.“
Seien wir ehrlich, unser Leben verläuft nie gradlinig und vorhersehbar. Jobverlust, Scheidung, eine Krankheit, ein Unfall, der viel zu frühe Tod einer nahestehenden Person – niemand ist gefeit vor einem Bruch im Leben. Was Corona einzigartig macht, ist der Umstand, dass wir alle betroffen sind, gleichzeitig, überall. Damit soll niemandes Schicksal kleingeredet werden. Erst gestern haben wir gehört: Innert 24 Stunden sind deutschlandweit 590 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Und gerade in besonders betroffenen Branchen bangen Angestellte um ihren Job und Selbstständige wissen nicht, wie lange sie sich über Wasser halten können. Hinter jedem statistisch erfassten Todesfall, hinter jeder gemeldeten Insolvenz verbergen sich Einzelschicksale. Gerade deshalb wünsche ich mir (schließlich steht Weihnachten vor der Tür), dass wir vor allem auch als Gesellschaft aus der Corona-Krise lernen.
Vielleicht wäre in dieser Hinsicht Sebastian Kneipp ein ganz guter Ratgeber. Denn das, was er zum Thema Gesundheit an einzelne seiner Mitmenschen gerichtet sagte, sollten wir uns – im übertragenen Sinne – als Gesellschaft auch heutzutage immer wieder vor Augen führen: „Gesund bleiben und lang leben will jedermann, aber die wenigsten tun etwas dafür. Wenn die Menschen nur halb so viel Sorgfalt darauf verwenden würden, gesund zu bleiben und verständig zu leben, wie sie heute darauf verwenden, um krank zu werden – die Hälfte ihrer Krankheiten bliebe ihnen erspart.“
Bettina Bichsel schreibt und bloggt rund um Medizinisches, Gesundes und Kneipp-Spezifisches. Daneben arbeitet die diplomierte Journalistin als Texterin, Kommunikationsexpertin und Coach.